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Textilherstellung
Die wichtigsten Rohstoffe für Textilien waren im hohen Mittelalter Schafwolle, Flachs und Hanf. Die Schafe wurden mit Scheren geschoren,
die den noch heute gebräuchlichen einfachen Metallscheren gleichen. Die so gewonnene Wolle befreite man durch Auskämmen vom Schmutz und strukturierte sie gleichmäßig.
Flachs und Hanf mußten vor der Verarbeitung längere Zeit gewässert werden, damit sich die Rinde vom faserigen Innern der
Stengel löste. Mit einem Holzklopfer wurden sie gewässerten Stengel dann “gebrochen”, um die Rinde zu zerstören und die Fasern weichzuklopfen. Das so vorbereitete Rohmaterial wurde beim “Hecheln” über
ein Nagelbrett gezogen, um die Rinde abzusondern und die Fasern fein zu zerteilen. Damit waren Flachs und Hanf spinnfertig.
Versponnen wurde die Wolle um 1300 noch mit der Handspindel, dem ältesten bekannten Spinngerät. Dabei befestigte die Spinnerin die vorbereitete
Wolle auf einem Stab, dem Spinnrocken, den sie währen des Spinnens unter dem Arm hielt. Das erste Stück Fasen mußte mit den Fingern aus dem Wollbausch gezwirnt und dann an einer Spindel befestigt werden. Nun
versetzte die Spinnerin die Spindel ähnlich einem Kreisel in Rotation und zupfte dabei gleichmäßig Wollfasern aus dem Bausch, welche sich durch die Drehung der Spindel verzwirnten. Das fertige Garn wurde nach
Bedarf gefärbt und auf dem im hohen Mittelalter gebräuchlichen Trittwebstuhl weiterverarbeitet. Wie noch vor der Erfindung des automatischen Webstuhls wurden zunächst die Kettfäden mit Hilfe eines Schärrahmens
und eines Lochbrettchens sortiert, dann auf eine einheitliche Länge gebracht, und schließlich der Webstuhl bespannt.
Im Gegensatz zum viel einfacheren Gewichtswebstuhl, der bis in das 12. Jahrhundert im Gebrauch war, werden die Webfächer beim Trittwebstuhl durch Pedale betätigt.Beim
Gewichtswebstuhl war, z.B. bei einer einfachen Leinenbindung, jede zweite der senkrechten Kettfäden mit einer Schlinge am sogenannten Litzenstab befestigt, der quer vor dem Webstuhl hing. Durch vor- und zurückbewegen
dieses Stabes schob sich jeder zweite Faden vor, bzw. hinter die anderen, nicht befestigten Fäden. Der Trittwebstuhl ermöglichtes es, diesen Vorgang durch Pedale, die die Litzenstäbe bewegten, schneller
durchzuführen. Im Gegensatz zum senkrechten Gewichtswebstuhl hing das Webgut beim Trittwebstuhl waagerecht. Das fertige Tuch wurde noch gewalkt, wodurch sich die Fasern zusammenzogen und vefilzten. Dadurch
lief das Tuch ein und wurde dichter.
Kleidung in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts
Üblich waren Textilien aus Schafwolle und Leinen, gelegentlich auch aus Hanf und Nessel, in unauffälligen Farbtönen. Denn abgesehen davon, daß
einige Farben wegen des Farbstoffes oder des aufwendigen Färbevorganges unerschwinglich waren, schrieben Kleiderordnungen für jeden Stand die erlaubte Palette fest.
Dasselbe galt für Art, Material und Aufwand von Verzierungen und Accessoires.
Frauen trugen ein knöchellanges gegürtetes Wollkleid mit langen Ärmeln. Eine hoch angesetzte Taille und eingearbeitete Keile im Rockbereich
sorgten für mehr Weite. In der Regel waren die Kleider so weit geschnitten, daß sie (noch) ohne Schnürung auskommen; vereinzelt lassen zeitgenössische Abbildungen an Halsausschnitt und Manschetten eine kurze Reihe
von Stoffknöpfen erkennen. Darunter trug man ein Unterkleid aus Leinen von gleichem Schnitt, nicht selten die einzige Unterwäsche. Außerdem schützte man sich in der kalten Jahreszeit mit aus Wollstoff geschneiderten
Füßlingen, die mit angenähten Bändern unterhalb des Knies befestigt wurden bzw. mit in Nailbinding-Technik gefertigten Kniestrümpfen. Spätestens nach der Hochzeit verhüllte die Frau in der Öffentlichkeit ihr Haar
entweder mit einem drapierten Tuch oder mit dem Gebende: Zwei gestärkte Leinenreifen wurden um das Gesicht und um die Stirn gelegt. Darüber wurde ein Schleier festgesteckt.
Männer trugen über einem Leinenhemd ein aus Wolle gefertigtes, knie- bis wadenlanges Obergewand mit langen Ärmeln. Auch bei diesem
Kleidungsstück konnten, ähnlich dem Obergewand der Frau, in Hüfthöhe Keile eingesetzt sein. Statt Hosen kannte man Beinlinge, hüftlange Strümpfe, die Strapsen ähnlich an einem Gürtel befestigt wurden. Zusätzlich
konnte die Bruoche, eine Unterhose aus Leinen getragen werden. Um Wärmeverlust vorzubeugen trugen Männer häufig eine eng anliegende Mütze mit Bändern, in der Form einer heutigen Kinderhaube vergleichbar.
Im Winter trugen Männer wie Frauen den sog. Radmantel mit oder ohne angenähte Kapuze. Außerdem kannte man die Gugel, ein Mittelding zwischen
Kapuze und Zipfelmütze mit breitem Schulterkragen. Der Verbrauch an Schuhen war sehr hoch, denn da sie aus dünnem Leder ohne verstärkte Sohle gefertigt waren, hielten sie nur wenige Monate. Neben Bundschuhen, kannte
man Halbschuhe und Stiefel mit Schnallen- oder Riemenverschluß.
Zum Weiterlesen:
J. Arneborg/E. Ostergard, Notes on archaeological finds of textiles and textile equipment from the norse western
settlement in Greenland, NESAT 5, Neumünster 1995 E. Crowfoot u. a., Textiles and clothing. C. 1150-c 1450, Medieval Finds from Excavations in London 4, London 1992
S. Felgenhauer-Schmidt, Die Sachkultur des Mittelalters im Lichte archäologischer Quellen, Europ. Hochschulschriften Reihe 38, Bd. 42, Frankfurt/M. 1993
M. u. N. Flüeler (Hrsg.) Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch. Die Stadt um 1300, Katalog Stuttgart 1992 F. Grew/M. de Neergaard, Shoes and Pattens, Medieval Finds from London 2, London 1988
W. Groenman-van Waateringe, Die Entwicklung der Schuhmode in 2500 Jahren, Die Kunde N. F. 25, 1974, S. 111-20 H. Müller, Weiße Weste – Rote Roben. Von den Farbordnungen des Mittelalters zum individuellen
Farbgeschmack in: H. Ottenjann (Hrsg.), Mode – Tracht – Regionale Identität. Historische Kleiderforschung heute. Symposium Kloppenburg 1985, 21988, 151ff
M- Nockert, Some new observations about the Bocksten costume, NESAT 1, Neumünster 1982 P. Nörlund, Buried norsemen at Herjolfsnes. An archaeological and historical study, Kopenhagen 1924
E. Ostergaard, The medieval everyday costumes of the norsemen in Greenland, NESAT 1, Neumünster 1982 F. Pritchard, Patterned cloths from 14th-century London, NESAT 3, London 1990
R. Reed, Ancient skins, parchment and leathers, London 1972 Ch. Schnack, Die mittelalterlichen Schuhe aus Schleswig. Ausgrabung Schild 1971-75, Ausgr. Schleswig. Ber. U.
Stud. 10, Neumünster 1992 Dies., Die mittelalterlichen Lederfunde aus Schleswig. Futterale, Riemen, Taschen und andere Objekte. Ausgrabung Schild 1971-75, Ausgr. Schleswig. Ber. U. Stud. 13,
Neumünster 1998 I. Zeiere, Neue Funde der Nordkurländischen Frauentracht aus dem 13. Jahrhundert, NESAT 6, Göteborg 1998
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